Augmentationen enoraler Weich- und Hartgewebe

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Nach Jahrzehnten der „“restaurativen Zahnheilkunde“, deren Hauptziel die funktionelle Restaurierung des Kauorganes war, tendiert die moderne „regenerative Zahnheilkunde“ zur Wiederherstellung verlorengegangener oraler Weich- und Hartgewebe nicht nur zur funktionellen, sondern auch zur optimalen „ästhetischen“ Rekonstruktion enoraler Strukturen.

Augmentationen können sowohl Schleimhaut-, als auch Knochenstrukturen betreffen und werden entweder simultan, also gleichzeitig mit der Implantation enossaler Implantate oder praeimplantologisch vor der geplanten Implantation durchgeführt.

Bei autologen Weichgewebsaugmentationen unterscheiden wir entweder gestielte oder freie Schleimhauttransplantate. Diese können sowohl keratinisiert (Full thickness graft- FTG) oder aber als Bindgewebstransplante (Connective Tissue Graft- CTG) verwendet werden. Während früher Weichgewebstransplantate vorwiegend funktionelle Aufgaben wie die Verbreiterung des keratinisierten Schleimhautanteiles erfüllen sollten, ist der Aufgabenbereich heutiger Weichgewebsaugmentationen zusätzlich in ästhetischen Bereichen zu finden.

Die Hartgewebs- oder Knochenaugmentationen lassen sich prinzipiell in erhaltende (Socket/Ridge Preservation, SP/RP) und regenerativ-reparative Eingriffe (Onlaygraft, Inlaygraft, Ridge Splitting, Osseous Pedicled Graft OPG, Guided Bone Regeneration GBR, Sinusgraft, Osteodistraktion DOG etc.) unterteilen.

Das Wissen um die biologischen Voraussetzungen der Alveolarknochenheilung und den Ablauf der darin involvierten Vorgänge kann den Erfolg augmentativer Eingriffe wesentlich verbessern.

 

Besonderheiten des Alveolarknochens

Die „dentale Organeinheit“ (Zahn & Periodontium) führt durch die Einleitung von Kaukräften zu einer funktionellen Belastung des Alveolarknochens. Die Alveolarknochenatrophie nach Zahnverlust hat im Knochensystem des Menschen insofern eine Sonderstellung, als kein anderer Skellettknochen des Menschen eine ähnliche Reaktion bei Inaktivität zeigt. Die einzige Folge funktioneller Inaktivität in anderen Knochenbereichen ist Osteoporose. Der hauptsächliche Unterschied zwischen diesen beiden Vorgängen ist, dass Osteoporose hauptsächlich trabekulären Knochen und die Alveolarknochenatrophie kortikalen Knochen betrifft. Die alveoläre Knochenatrophie schließt damit eine morphologische Veränderung ein, die mit einer Veränderung der periostalen Knochenoberfläche einhergeht und lässt darauf schließen, dass sie Folge einer knöchernen Resorption periostaler Ursache ist.

Die Reparation von alveolären Knochen ist in den meisten Fällen mit Verlust von Knochenvolumen verbunden, folgt aber im Prinzip einer der embryonalen Osteogenese ähnlichen biologischen Prozesskaskade:

  1. Als Reaktion eines Traumas kommt es als erste Reaktion des Körpers zu der Formation eines Blutkoagulums mit der prinzipiellen Aufgabe der Blutstillung. Aus dem Koagulum kommt es zur Freisetzung von z.B.Wachstumsfaktoren und Cytokinen.
  1. Knochenformation (Osteoblastendifferenzierung mit der Entstehung von unreifen Gewebsknochen).
  1. Remodelling (folgt dem mechanischen Stress des neugebildeten Knochens durch Belastung wie Kauen etc.).

Die der Koagulumsbildung folgenden Stadien der embryonalen Osteogenese wie die Chondrogenese und enchondrale Ossifikation finden in der alveolären Knochenheilung nur sehr bedingt oder gar nicht statt. Die Chondrogenese und damit die Entwicklung von Knorpelzellen auf Kosten der knochenbilden Zellen ist mit einer Mobilität der Frakturenden und der damit verbundenen geringeren Vaskularität und Hypoxie des Gewebes im Frakturspalt verbunden.

Kortikal verschraubtes Onlaygraft

Das kortikale verschraubte Onlaygraft kann hier eine Ausnahme darstellen, da es an dem Interface zwischen Graft und Unterlage durch Hypoxie zur beschriebenen verminderten Vaskularisierung und dem damit verbundenen Stadium der Chondrogenese kommen kann. Nachdem bei der Heilung des Alveolarknochens meistens feste unbewegliche Knochenwände vorhanden sind, entfällt die Phase der Chondrogenese und enchondralen Ossifikation. Frakturierte Knochenwände werden im Bereich der Alveolarknochenheilung als Sequester abgestoßen (sequestriert).

 

Faktoren krestalen Volumensverlustes

Wie schon angeführt führen die meisten Knochenheilungen im Bereich des Alveolarknochens zu einem gewissen Volumsverlust. Zwei wesentliche Faktoren sind für diesen Volumsverlust verantwortlich:

  1. Ungenügende Anzahl und/oder ungenügende Aktivität der in die Heilung involvierten Zellen der initialen Matrix (Koagulum).
  1. Der für die Heilung des alveolären Knochens wohl wesentlichste Faktor ist aber der Verlust oder die Veränderung der äußeren begrenzenden Knochenwände (Alveolektomie), der das wesentliche „Signal“ für das Ausmaß der zu erwartenden Knochenheilung darstellt.

Ein Verlust einer internen Knochenwand (z.B. Septum) hingegen induziert keinen Volumsverlust. Anscheinend haben die den Knochendefekt „eingrenzenden“ periostalen Oberflächen eine entscheidende Signalwirkung in der Bestimmung des zukünftigen Knochenvolumens. Die periostale Oberfläche scheint also eine „ortsspezifische“ Signalwirkung auszuüben

Unabhängig von dieser Tatsache benötigen aber auch anscheinend sämtliche osteopotenten Zellen (Stammzellen etc.) eine klar abgegrenzte rigide Unterstützung, um die ursprüngliche Anatomie des Alveolarknochens wiederherzustellen. Selbst ein Schleimhautperiostlappen mit einer erhaltenen periostalen Zellstruktur, aber ohne rigider fester Unterstützung, führt zu einer Veränderung der Signalwirkung und damit zu einem Verlust von Alveolarknochen.

Aus diesen Tatsachen lässt sich folgern, dass die fehlende Rekonstitution des ursprünglichen Alveolarknochens durch eine fehlende periostale Signalwirkung und den Verlust einer entsprechenden Unterstützung der osteopotenten Zelllinie zu erklären ist.